SO36: Der pulsierende Herzschlag von Punk und Subkultur in Kreuzberg

Willkommen zurück in den wilden, schrägen und unglaublich kreativen Zeiten West-Berlins! Wenn wir über die 80er Jahre in dieser geteilten Stadt sprechen, führt kein Weg an einem Ort vorbei, der mehr als nur ein Musikclub war: dem SO36 in Kreuzberg. Es war das Epizentrum, der Schmelztiegel, das wilde Herz der Punk und Subkultur im SO36. Hier wurde nicht nur Musik gemacht, hier wurde gelebt, protestiert und eine neue Ästhetik geboren, die bis heute nachhallt. Für alle, die die Energie dieser Zeit spüren wollen oder einfach wissen möchten, warum dieser Laden in der Oranienstraße so legendär wurde – schnallt euch an, wir tauchen tief ein in die Geschichte von Bier, Schweiß, Lärm und Freiheit.

Kreuzberg, das SO36, die Punks – das ist eine untrennbare Einheit, die den Geist des Widerstands und der Avantgarde verkörperte. Der Club, benannt nach dem historischen Postzustellbezirk Berlin SO 36 (Südost), eröffnete 1978 in einem ehemaligen Kino und später Supermarkt. Die Gründerväter wollten einen Raum für alternative Musik und Kultur schaffen. Schnell wurde es zum deutschen Äquivalent zum New Yorker CBGB, einem Mekka für Punk und New Wave. Hier kollabierte Iggy Pop an der Bar, hier stritt Kippi mit Ratten-Jenny, und hier gaben sich die wichtigsten Bands die Klinke in die Hand. Wenn du dich für die musikalische Entwicklung dieser Ära interessierst, schau doch mal in unserem Beitrag über Die Neue Deutsche Welle vorbei, denn das SO36 war maßgeblich daran beteiligt.

Key Facts: Die Essenz von SO36

  • Gründungsjahr und Name: Eröffnet am 11./12. August 1978 mit dem ironischen „Mauerbaufestival“ und benannt nach dem historischen Postzustellbezirk SO 36 (Südost).
  • Punk-Zentrum: Galt neben dem CBGB als einer der weltweit führenden Orte für Punk und New Wave in den frühen 80ern.
  • Legendäre Acts: Heimat von Bands wie Slime, Die Ärzte, Die Toten Hosen, Einstürzende Neubauten und internationalen Größen wie den Dead Kennedys.
  • Kultureller Schmelztiegel: Unter Martin Kippenberger wurde gezielt ein Crossover zwischen Punk, New Wave und bildender Kunst gesucht.
  • Kiez-Identität: Der Club verkörpert den Geist Kreuzbergs: multikulturell, tolerant und avantgardistisch.
  • Überlebenskünstler: Trotz mehrmaliger Schließungen durch die Bauaufsicht, Übernahmen durch Hausbesetzer und Eigentümerwechseln besteht der Club bis heute.

Die Geburtsstunde: Mauerbaufestival und die ersten Akkorde

Die Eröffnung des SO36 war ein bewusster Akt gegen die bestehende Ordnung. Das erste zweitägige Festival im August 1978, das „Mauerbaufestival“, war eine zynische Anspielung auf den Bau der Berliner Mauer 1961 und setzte sofort ein politisches Zeichen. Hier trat die aufstrebende deutsche Punk- und NDW-Szene auf, darunter Bands wie PVC, Mittagspause, S.Y.P.H. und Stukka Pilots. Die Anfangsjahre waren von finanziellen Schwierigkeiten geprägt, was zur Folge hatte, dass Martin Kippenberger, der Maler und Künstler, 1979 die Leitung übernahm. Gemeinsam mit anderen suchte er den „Brückenschlag zwischen Punk, New Wave und Kunst“, inspiriert vom Düsseldorfer Ratinger Hof. Diese Phase brachte Bands wie Malaria!, Der Plan, aber auch experimentellere Acts wie Suicide und Throbbing Gristle auf die Bühne. Die Kreuzberger Anarcho-Punks sahen dies jedoch nicht immer positiv und kritisierten die „Konsumscheiße“. Dennoch war die Mischung aus brachialem Punk und intellektuellem New Wave das, was dem SO36 seinen einzigartigen Sound gab.

Die Goldene Ära: Punk-Manifest und internationale Gäste

Die frühen 80er Jahre waren die Hochphase der Punk und Subkultur im SO36. Kreuzberg war das erklärte Punks-Haven West-Berlins, angezogen von der linksalternativen Gesellschaft. Hier spielte sich das Leben ab, das von David Bowie und Iggy Pop – die zeitweise in Berlin lebten – besucht wurde. Die deutsche Punk-Bewegung, erkennbar an schnellen Tempi und politischen, einfachen Texten, explodierte neben der Neuen Deutschen Welle. Das SO36 war der Ort, an dem diese Energie kanalisiert wurde. Man denke nur an legendäre Konzerte: Die Dead Kennedys traten hier mehrmals auf, 1982 war es besonders wild. Bands wie Slime, Die Ärzte und Die Toten Hosen feilten hier an ihrem Sound und wurden zu Ikonen. Die Atmosphäre war legendär – eine Mischung aus „Bier, Schweiß, Lärm und Freiheit“. Die Punks fühlten sich in den grauen Fassaden Kreuzbergs zu Hause.

Ein besonderes Highlight dieser Zeit war das „Weihnachten mit Heino“ am Heiligabend 1981, bei dem Hunderte Punks im Club feierten, während Bierbüchsen flogen. Solche Ereignisse zementierten den Ruf des Ladens als ungezähmtes Zentrum der Gegenkultur. Die Energie war so groß, dass sie auch die Obrigkeit auf den Plan rief. Die Bauaufsicht schloss den Laden 1983, da der Pächter die Sanierung nicht stemmen konnte. Es folgte eine Zeit der Instabilität, in der das Gebäude zeitweise besetzt wurde.

Wandel und Widerstand: Zwischen Besetzung und türkischem Merhaba

Nach der Schließung durch die Bauaufsicht 1983 erlebte das SO36 eine Phase des Umbruchs. Ein türkischer Pächter übernahm die Halle und versuchte, sie als Hochzeitssaal und Ort für türkische Discoabende zu etablieren, nannte sie „Merhaba“. Ironischerweise behielt er den Namen SO36 auf Anraten von Konzertveranstaltern bei. Trotz des neuen Fokus auf türkische Kulturabende, wie die später legendär gewordene Gayhane, blieben die Punkrocker weiterhin willkommen. Dies zeigt die frühe multikulturelle Ader Kreuzbergs, die im SO36 sichtbar wurde. Die Punkszene kämpfte jedoch weiter um ihren Raum; 1984 wurde das Gelände von vertriebenen Besetzern gestürmt. Bis 1987 hielt die Obrigkeit die Szene in Schach, da das „Zentrum für Punk und Rock“ zunehmend als Ausgangspunkt für Straßenschlachten der Hausbesetzerszene galt. Erst 1990 wurde das SO36 renoviert und als legitimer Veranstaltungsort wiedereröffnet, womit die Tür für die nächste Generation von Musikern und Subkulturen offen stand.

Das SO36 heute: Kontinuität und neue Subkulturen

Obwohl die wildesten Jahre des klassischen Deutschpunk vorbei sind, lebt der Geist des SO36 weiter. Der Club hat es geschafft, seine Wurzeln zu ehren und gleichzeitig ein Ort für neue Entwicklungen zu sein. Er ist nach wie vor ein Magnet für alternative Kultur. Neben Konzerten finden hier heute Events statt, die die heutige Diversität Berlins widerspiegeln. Die legendäre Gayhane, eine orientalische Party für die türkisch-deutsche queere Community, ist ein solches Beispiel für die fortlaufende Rolle als Freiraum. Auch die Roller Skate Disko oder das Kiezbingo zeigen, dass das SO36 ein Ort für Gemeinschaft und unkonventionelle Unterhaltung bleibt. Die Geschichte des Clubs wurde 2016 sogar in einem illustrierten Buch gewürdigt: SO36: 1978 bis heute. Das SO36 verkörpert den Geist Kreuzbergs: Lebendigkeit, Energie und Freiheit. Wer sich für die Verbindung von Musik und politischem Ausdruck in Berlin interessiert, findet hier einen tiefen Einblick in die DNA der Stadt. Für einen Blick auf andere wichtige Orte der 80er Musikszene, wirf einen Blick auf unseren Artikel über das Hansa Studio, das ebenfalls die Ära prägte.

Fazit: Mehr als nur ein Club – ein Denkmal der Subkultur

Das Punk und Subkultur im SO36 ist eine Geschichte von Rebellion, Kreativität und erstaunlicher Zähigkeit. Von der Gründung 1978 als Bühne für die ersten deutschen Punk- und NDW-Bands bis hin zu seiner heutigen Rolle als integrativer Kulturort hat das SO36 die Entwicklung Berlins maßgeblich mitgeprägt. Es war der Ort, an dem die Ästhetik der Verweigerung ihren Klang fand und internationale Größen wie die Dead Kennedys oder Iggy Pop die Wände zum Beben brachten. Die Auseinandersetzungen mit der Obrigkeit, die Phasen der Besetzung und die späteren kulturellen Fusionen zeigen, dass der Club immer ein Spiegelbild der politischen und sozialen Spannungen im geteilten West-Berlin war. Heute ist es ein lebendiges Archiv, das seine Punk-Wurzeln feiert, aber gleichzeitig Raum für neue, bunte Subkulturen bietet – von Techno bis zur Gayhane. Das SO36 ist nicht nur ein Musiklokal; es ist ein Denkmal dafür, wie wichtig Freiräume für die Entwicklung einer freien Gesellschaft sind. Wer das wahre Berlin der 80er verstehen will, muss die Geschichte des SO36 kennen. Es ist ein Ort, der beweist, dass Kultur nicht stirbt, solange der Kiez zusammenhält und die Musik laut genug ist, um die Mauern einzureißen – auch wenn die Mauer selbst längst gefallen ist.